Europäische Rechtsformen
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Haftungsgefahren nach deutschem Recht

Die Urteile „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ mögen zwar zur Klärung bezüglich der Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften beigetragen haben, in Bezug auf das europäische Gesellschaftskollisionsrecht (d. h. in Bezug auf die Vereinbarkeit unterschiedlicher europäischer Gesellschaftsrechte) entstehen dadurch jedoch viele Fragen, in deren Mittelpunkt Überlegungen zur Anwendbarkeit deutscher Haftungsgrundsätze stehen.

In der Diplomarbeit werden die persönlichen Haftungsgefahren eines Gesellschafter-Geschäftsführers (trotz grundsätzlicher Haftungsbeschränkung, sog. „Durchgriffshaftung“) ausführlich für die verschiedenen Phasen der Gründung, Betriebsführung und Krise der deutschen GmbH dargestellt (Publikation bestellen). An dieser Stelle soll jedoch nur auf deren Relevanz/Anwendbarkeit bei der Existenzgründung europäischer Rechtsformen mit beschränkter Haftung in Deutschland eingegangen werden.

Zur Beurteilung, welche Tatbestände bei ausländischen Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland nach deutschem und welche nach dem Recht des Gründungsstaates zu beurteilen sind, ist eine Unterscheidung zwischen Tatbeständen des Gesellschafts-, Insolvenz-, Delikts- und Vertragsrechts sinnvoll. Die folgende Graphik stellt die Zuordnung zusammenfassend nach jeweils herrschender Meinung (h.M.) und anderen Ansichten (a.A.) dar. Ausführliche Erläuterungen und Quellennachweise zu den einzelnen Pflichten und Haftungstatbeständen finden sich in der Diplomarbeit.

Quelle: Eigene Darstellung (Nachweise für Meinungsstand siehe Diplomarbeit).

Die Ausführungen zu den einzelnen Pflichten und Haftungstatbeständen in der Diplomarbeit und die obige Übersicht zeigen, dass nach den Urteilen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ eine lebhafte Diskussion über die Zuordnung einzelner Aspekte, aber auch über die Bedeutung dieser Rechtsentwicklung im Allgemeinen, eingesetzt hat.
So sehen einige in den Urteilen die völlige Aufgabe der bisher in Deutschland nach herrschender Meinung dominierenden „Sitztheorie“ und wollen im Gegenzug eine „Gründungstheorie“ etablieren, d. h. bis auf die Ausnahmen der unmittelbaren Tatbestände des Insolvenz-, Delikts- und Vertragsrechts soll das Recht des Gründungsstaates gelten. Die Verfechter dieser Ansicht sehen die Urteile als eine Öffnung („Deregulierung“) des Gesellschaftsrechts der europäischen Mitgliedsstaaten und plädieren für einen Wettbewerb der verschiedenen Gesellschaftsformen.
Demgegenüber stehen diejenigen Stimmen, die für eine europarechtlich konforme Beibehaltung der „Sitztheorie“ plädieren. Mit teilweise unterschiedlichen Ansätzen bemühen sich diese um eine Aufrechterhaltung eines Mindestschutzes für Gläubiger nach deutschem Recht.

Aus Sicht des Existenzgründers ist aus Vorsichtsgründen eher letzterer Auffassung zu folgen und demnach damit zu rechnen, dass auch bei der Verwendung einer ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung für eine Existenzgründung in Deutschland grundsätzlich deutsche Haftungstatbestände zur Anwendung kommen können. Einzelne Aspekte sind jedoch (auch?) nach dem Recht des Gründungsstaates zu beurteilen, wie z.B. in Bezug auf die Kapitalaufbringung. Dies führt zu einem erheblichen Risiko der Rechtsunsicherheit, denn deutschen Gerichten ist wohl kaum zuzumuten, kundig im Gesellschaftsrecht aller 15 (neuerdings: 25) EU-Mitgliedsstaaten zu sein und dieses – ggf. sogar mittels Rechtsvergleichs – anzuwenden. Andererseits wird z.B. ein britisches Gericht wohl kaum innerhalb eines ansonsten unbekannten deutschen Insolvenzverfahrens über einzelne Aspekte der Durchgriffshaftung entscheiden können.

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